Das perfekte Wochenende in Achterhoek: der Geheimtipp von Holland

| Angelika Schwaff

Direkt hinter der Grenze stehen sie, die süßen kleinen Häuser, für die ich die Niederlande so sehr liebe. Zu erkennen an den schönen roten Backsteinen und an den übergroßen Fenstern, in denen fast immer mittig eine hübsche Vase oder eine kleine Lampe steht. Überhaupt: es ist hier schwer gemütlich. Kleine Alleen flankieren die Straßen, die IJssel fließt gemächlich dahin, üppige Wälder durchziehen die Region. Meine Reise hat mich nach Achterhoek in Holland geführt, dem Geheimtipp in den Niederlanden, wenn man es kuschelig und vor allem lecker haben will. Achterhoek liegt direkt hinter der Grenze zu Deutschland.

Eigentlich bin ich hier um ein Video für die Region zu drehen. Das ist für mich immer etwas schwierig, wenn ich die Orte nicht vorher kenne. Deshalb bin ich sehr überrascht, wie wenig dieser Landstrich mit den Bildern in meinen Kopf zu tun hat. Es ist hier grüner und vor allem jetzt im Herbst noch viel bunter als ich dachte. Die Dörfer sind noch niedlicher als erhofft und das Essen so lecker, dass ich glaube man hat sich hier gegen mein Gewicht verschworen.

Ein Rundgang durch die Hansestadt Doesburg

Meine Reise durch Achterhoek beginnt in Doesburg, einer alten Hansestadt, die stolz ist noch vor Amsterdam die Stadtrechte verliehen bekommen zu haben. Süß ist es hier, die kleinen engen Gassen aus dem Mittelalter sind fast unverändert, die Häuser links und recht erzählen Jahrhunderte alte Geschichten. Darum stehen hier auch 150 von ihnen unter Denkmalschutz. Ein Haus sticht besonders hervor: das älteste Gasthaus der Niederlande, das “De Waag”.

Wenn ich nicht so viel Technik mit mir herumschleppen würde, könnte ich jetzt vielleicht mal eine Runde shoppen gehen, in Doesburg gibt es noch viele kleine inhabergeführte Geschäfte, die einladend aussehen. Mein Kaffeedurst aber zieht mich in ein ehemaliges Kloster das Het Arsenaal, das heute Veranstaltungsort und Café ist. Den wohl besten Espresso der Stadt gibt es hier.

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Kunst, Kultur und Kulinarik in Ruurlo

Weiter geht es für mich auf Schlössertour. In Ruurlo steht ein bis in den kleinsten Winkel renoviertes Schloss in dem ich drehen werde. Aber vorher steht noch ein weiterer Punkt auf meinem Programm. Ich bin auch hier, um über das Essen in Achterhoek, und um genauer zu sein – um über die speziellen Wildgerichte in Achterhoek zu drehen. Dafür ist die Region nämlich bekannt. Kein Wunder – in solch prachtvoller Natur fühlen sich Wildtiere besonders zuhause. Unweit vom Schloss sitze ich deshalb

erwartungsvoll am Tisch im Restaurant Avenarius, einem Gasthaus in Familientradition. Das erste Mahl in einer Region ist immer prägend für mich und ich werde nicht enttäuscht. Serviert werden Wild-Bitterballen, hausgemachter Schinken und die wohl beste Pastrami, die ich seit Jahren gegessen habe. Auch das Hauptgericht ist perfekt zubereitet und schmeckt wie bei meiner Oma. “Echt lekker“, wie man hier sagt.

Das Schloss Ruurlo liegt malerisch in einem Park, das Gras is so akkurat geschnitten, dass ich tatsächlich denke, es wurde mit einer Nagelschere gestutzt worden. Die Orangerie ist mittlerweile ein Café und Restaurant, im Hauptgebäude befindet sich das Museum More – das sich ganz der Arbeit des niederländischen Künstlers Carel Willink widmet – und seinen eventuell etwas außergewöhnlichem Leben beziehungsweise Lieben.

Bronkhorst – zu Gast in der kleinsten Stadt der Niederlande

Die Sonne geht langsam aber gemächlich unter, ich bin mit den Aufnahmen in Ruurlo fertig und schon auf dem Weg zu meinem nächsten Ziel. Bronkhorst, die kleinste Stadt der Niederlande. Ein wenig hatte ich schon über das Nest gelesen und mich besonders darauf gefreut. Ich komme selber vom Dorf und mag daher alles ländliche einfach sehr. Bronkhorst zählt etwa 150 Einwohner, bekam aber die Stadtrechte verliehen, als hier einst ein imposantes Schloss stand und für Aufschwung sorgte. Das Schloss brannte nieder, das Wachstum von Brinkhorst schlummerte ein.

Heute ist das ein wahrer Segen. Die Hauptstraße ist mit Kopfstein gepflastert und von schnuckeligen alten Häusern gesäumt. Sie führt zu kleinen Kapelle, dort macht die Hauptstraße einen kleinen Knick und führt auch schon wieder zum Ortsausgang. Mehrere Künstler haben sich im Dorf angesiedelt, es gibt ein kleines Café und eine Herberge, das Hotel Golden Leeuw. Aus drei alten Häusern entstand das Ensemble, wurde liebevoll renoviert und ist nun auch kulinarisch eine Reise wert. Ich beziehe mein Zimmer (mit Himmelbett!) Und sitze wenig später am lodernden Kamin und warte auf mein Abendessen, vier köstliche Gänge Wildgerichte.

Immer in der Dezember-Mitte findet übrigens in Bronkhorst an zwei Tagen das Dickens Festival statt. Dann reist man in Bronkhorst zurück in die Vergangenheit. In der Kapelle wird das Dickens’ Weihnachtsgeschichte als Puppenspiel aufgeführt, während draußen am winzigen Weihnachtsmarkt Glühwein und Kakao ausgeschenkt werden. Gleich mehrere Chöre singen dann in Bronkhorst – und die gemütliche und altertümliche Stimmung lässt einen denken, dass Ebonizer Scrooge gleich persönlich um die Ecke kommt.

Köstliches und Kreatives in Ulft

Für mich geht die Reise durch das andere Holland am nächsten Tag weiter – einmal durch Achterhoek.. In Ulft gehe ich durch ein ehemaliges Industriegelände, DRU heisst es. Es ist lange her, dass hier die Produktion in ihrer vollen Blüte stand, vor allem Eisenwaren wurden auf dem Gelände hergestellt. Statt den Ort wie in manch anderen Städten verfallen zu lassen, haben Investoren Geld und Kreativität zusammengebracht und aus dem Areal einen wirklich spannenden Ort geschaffen. Ein Museum gibt es hier, Wohnungen, ein Theater und Kreativzentrum – und ein Restaurant – das Schaftlokal. Hier werde ich drehen und auch essen. Das Restaurant könnte so auch in New York der Berlin stehen, ist im “Industrial Chic” eingerichtet und hat eine ansprechende Karte. Mir und meiner Begleitung von Achterhoek Tourismus wird das Wildmenü aufgetischt: eine hervorragende kalte Platte mit Aufschnitten und danach ein herrlicher Braten mit köstlichem Gemüse. Erneut bin ich von der Qualität und dem Geschmack einfach überwältigt.

Auf geheimer Mission im Schloss Huis Bergh

Ähnlich staue ich als ich zwei Stunden später in einem großen verwunschenen Schloss stehe und mir der Eingang zu einem Geheimgang gezeigt wird. Endlich – damit erfüllen sich alle meine Kindheitsträume. Schon immer war ich von Schlössern fasziniert, schon immer der felsenfesten Überzeugung in jedem Schloss müsse es etliche Geheimgänge geben. Jetzt also stehe ich vor einem. Mein Guide weiß auch nicht genau, wo die steile Treppe hin geht. Sie meint, noch wäre niemand wirklich weiter als bis zum Ende des sichtbaren Ganges gegangen. Wir sind übrigens im Huis Bergh, einem der größten Schlösser in den Niederlanden. Früher wandelten hier die Grafen, heute können Besucher die herrschaftlichen Räume anschauen – oder sogar in Teilen übernachten. Wir aber sind eigentlich hier um ein wenig von der Kunstsammlung anzuschauen. Handgeschriebene Bücher und kostbare Drucke sind hier neben früher italienischer Malerei zu bewundern.

Eine herrschaftliche Nacht in Doetinchem

Herrschaftlich geht es für mich weiter, ich beziehe mein überdimensioniertes Zimmer im Hotel Villa Ruimzicht in Doetinchem. Das alte Herrenhaus wurde renoviert und die Zimmer schick eingerichtet. Ich werde nur eine kurze Nacht hier verbringen, denn im Prinzip bin ich nur für den Dreh eines Dinners hier. Und das nicht in irgendein einem Restaurant, sondern im LEV Foodbar. Es gehört zu DEM Chefkoch der Region: Mike Vrijdag. Nur wenige Monate

nach der Eröffnung hatte der Michelin Guide dem Restaurant einen BIb Gourmand verliehen – eine hohe Auszeichnung. Als ich die hervorragend und fein zubereiteten Speisen – übrigens zum sehr großen Teil aus regionalen Produkten aus Achterhoek – esse, meine ich, die LEV Foodbar hätte auch gut und gerne einen Stern verdient. Aber mich fragt man ja leider nicht.

Farm to table auf Holländisch

Immerhin begegne ich seinen kulinarischen Kreationen gleich Tags darauf noch einmal. Nachdem ich zunächst durch die schöne Landschaft gefahren wurde um hier und da voller Begeisterung die bunten Herbstwälder von Achterhoek zu drehen. Und nach einem Zwischenstopp bei einem der Lieferanten der Vrijdag Restaurants – dem De Brömmels Ziegenhof. Natürlich habe ich mich nicht nur sofort in die süßen Ziegen verknallt, sondern auch im Hofladen ordentlich eingekauft. In Berlin muss man lange suchen um so einen hervorragenden Käse zu bekommen.

Im mit einem Michelin Stern ausgezeichneten Restaurant Strandlodge bekommt man ihn auf edlem Porzellan serviert.

Hier, inmitten üppiger Wälder und satter Felder, liegt das kulinarische Kleinod versteckt in einem ehemaligen Schwimmbad-Gebäude. Die Pools sind noch da, aber zu dieser Zeit natürlich im Herbst- bzw. Winterschlaf. Aber eine Etage höher wird gewerkelt und gezaubert. Drei Köche sehe ich in der halboffenen Küche. Sie werden meiner Begleitung, meiner Kamera und mir ein mehrgängiges Wild-Menü zu bereiten, dass ich so schnell nicht vergessen werde. Hervorragend zubereitet, mit besten Zutaten aus der Region Achterhoek und vor allem mit Liebe gemacht. Kunst auf dem Teller.

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Kunstgeschichte zum Anfassen in Winterswijk

Und als hätte es keine bessere Überleitung geben können endet mein dreitägiger Besuch in Achterhoek mit eben jeder: Kunst. In der Villa Mondriaan erlebe ich die Wandlung des Künstlers Piet Mondriaan, der hier in Winterswijk aufgewachsen ist, und in die Fußstapfen seines Vaters und Onkels hinein wuchs – zunächst widmete er sich dem impressionistischen Stil der Haager Schule, entwickelte dann aber im Laufe seiner Karriere den Neoplastizismus – und würde damit posthum weltberühmt.

Die Villa zeigt seine Anfänge und seine Entwicklungsgeschichte. Ich finde, das ist das perfekte Ende meiner Reise. In Achterhoek gibt es viel zu entdecken, ich werde hoffentlich noch einmal wiederkommen.

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